Auch Tiere erkennen den besonderen Moment der Stund

Warten aufs Christkind – in diesem Jahr ist alles anders

Da sitzen Sie nun, blicken gespannt zu mir und warten darauf dass es los geht. Auch Tiere erkennen den besonderen Moment der Stunde. Nein, in diesem Jahr fahren wir am frühen Abend nicht zur Oma, meiner Mutter. Es ist das erste Mal in meinem Leben das ich Heilig Abend nicht in meinem Elternhaus verbringe. 2017 war kein gutes Jahr, ein ganz beschissenes, wenn ich das mal so sagen darf.

Anfang des Jahres habe ich mich mit einer nicht enden wollenden Erkältung herum geschlagen, bald zwei Monate lang. Kein Training, keine Zeit sich richtig aus zu kurieren. Diese Zeit muss man sich nehmen, die Gesundheit geht doch vor, werden Sie jetzt denken. Naja, wenn man Selbstständig ist, ist das nicht so einfach. Geschäfte zu, in der Haupt Geschäftszeit? Nein, mit dem Kopf unter dem Arm hin, es muss ja irgendwie gehen.

Ende März hat dann meine Mutter für sich entschieden ins betreute Wohnen zu gehen. Gottlob ihre eigene Entscheidung, ich hätte mich nicht gut gefühlt sie sozusagen ab zu schieben, ein fader Beigeschmack bleibt da doch, zumindest für mich. Nun gut, mit knapp 93 Jahren sicherlich eine vernünftige Entscheidung. Sie ist geistig noch ziemlich fit. Wer jetzt glaubt dann ist doch alles gut der irrt, jetzt gingen die Probleme erst los.

Mit der Rente wird es ein bisschen knapp, betreutes Wohnen ist alles andere als billig, besonders dann wenn man ein paar Extras will. Es ist auch nicht einfach, wenn man sein Leben im eigenen Haus verbracht hat plötzlich in so einer Anlage leben muss. Gut, für meine Mutter ist mir nichts zu teuer, das ist Ehrensache. Das war aber nicht das eigentliche Problem. Haus verkaufen lautet die Entscheidung, meine Mutter und meine ältere Schwester waren sich einig. Ein Mann von der Bank hatte schon einen Preis genannt, da sage ich jetzt mal lieber nichts zu – fair sieht anders aus. Zum Glück habe ich ein Veto Recht, es ist kein kleines Haus. Jetzt dürfen sie mal raten wer das jetzt an der Backe hat, Haushaltsauflösung und Vermietung inklusive. Wenn dann der Streit schon darüber los geht ob ein paar neue Briefkästen gekauft werden, die alten gehen ja schließlich noch, so die einhellige Meinung meiner Mutter und meiner Schwester, können Sie in etwa erahnen mit was ich mich herum schlagen muss.

Ende April dann der nächste Schock, die kleine Dackel Dame Ronja wird schwer krank. Not OP, es steht auf der Kippe. Mit viel Pflege und Fürsorge haben wir es gerade noch mal hin bekommen. Leider war das noch nicht alles. Vor knapp drei Jahren kam Comanchero zu uns, ein wilder Bursche mit riesen Potenzial. Hannoveraner Wallach. Genie und Wahnsinn, kein einfaches Pferd, aber er hatte so etwas, Charisma, ja der war schon richtig toll. Bei unserem letzten Turnier in Burgdorf hatte ich ein bemerkenswertes Erlebnis. Ich hatte immer so meinen Kampf mit ihm, schreckhaft und nervös wie er war. Plötzlich Stille, als wir am Hänger standen, er hat mir so tief in die Augen geschaut, ich dachte wenn Du jetzt ein bisschen kleiner wärst würde ich dich mal so richtig in den Arm nehmen – es war wie eine Verbindung zweier Seelen. Dann gut anderthalb Wochen später die Kolik, es war nichts mehr zu machen. Run Free Cockie, ich werde dich niemals vergessen.

Run Free Cockie, ich werde dich niemals vergessen.
Run Free Cockie, ich werde dich niemals vergessen.

Offensichtlich war es immer noch nicht genug der Prüfungen die einem das Leben auf erlegt. Anfang August wurde meine Schwiegermutter schwer krank, ein herzensgute Frau, zwei Monate vorher hatten wir noch fröhlich ihren Geburtstag gefeiert, also das Prozedere das wir schon kannten noch einmal. Alles in die Hand nehmen, Wohnungsauflösung, einen Platz im betreuten Wohnen suchen. Sie wohnte sehr schön, nur ein paar Meter vom Prinzenpark entfernt, hier in Braunschweig. Zwischendurch dann auch noch Ärger im Geschäft, wir hatten uns ein richtig faules Ei eingefangen. Als ob man noch nicht genug um die Ohren hätte.

Im November habe ich mir dann endlich eine Auszeit genommen und bin nach Usedom gefahren. Da ist der Platz an dem meine Seele zur Ruhe kommt. Wenn man dann erst einmal Ruhe findet, merkt man erst einmal wie dringend nötig das war. Ich bin sehr diszipliniert, zielstrebig mit eisernen Willen, wie meine Mutter es schon in meiner Jugend formulierte. Das birgt natürlich gesundheitliche Risiken, man ist dann auch irgendwann über den Punkt. Der Wille ist dann stärker als das was Körper und Geist verkraften können. Apropos zielstrebig und diszipliniert, seit März lief es mit dem Sport wieder. Fünf bis sechsmal die Woche morgens früh ins Fitness Center und dazu muss ich mich noch nicht einmal zwingen.

Balsam für die Seele
Balsam für die Seele

Nun gut, jetzt ist Heilig Abend. Ich bin ein bisschen melancholisch, so wie wahrscheinlich viele andere Menschen auch. Ich denke an meine Kindheit und Jugend zurück. Das Haus ist nun komplett vermietet, mein Elternhaus, es war ein ganz schöner Kraftakt. Junge Familien feiern dort jetzt Weihnachten. Dort wo in der guten Stube der Weihnachtsbaum stand, der Weihnachtsbaum den ich als Kind beim schmücken einmal umgerissen hatte. Oh war das ein Theater, meine Mutter hat ganz schön geschimpft. Das Zimmer in dem ich meine erste Eisenbahn geschenkt bekommen habe, mein Vater war damals mächtig stolz und hätte wohl gern selbst damit gespielt. Einen Kassettenrekorder, den hatte ich auch mal bekommen, das war eine tolle Sache. Den habe ich dann heimlich eingeschaltet und ein paar Aufnahmen gemacht, ich glaube die habe ich sogar noch, in irgendeiner Kiste.

Irgendwie beginnt wohl ein neuer Lebensabschnitt. Ich habe bei dem was wir alles meistern mussten oft an meine Mutter gedacht. An das was meine Eltern im und nach dem Krieg alles durchstehen mussten. Mein Vater schwer verletzt in Gefangenschaft. Das was Du hier machst ist nichts im Vergleich zu dem, habe ich mir immer gesagt, also stell dich nicht so an und mach. Zum Glück hat sich vieles zum Guten gewendet. Mensch und Tier sind gesund, das ist das wichtigste. Ein bisschen Wehmut packt mich doch, wenn ich an letztes Jahr denke. Wir haben einen sehr schönen Heiligen Abend verbracht, im Haus unserer Familie. Es war das letzte Mal, als ob es eine Bestimmung gewesen wäre – noch einmal fröhlich zusammen zu sitzen.

Ich wünsche euch frohe Weihnachten.

Euer Solariummann

Ein Gedanke zu „Warten aufs Christkind – in diesem Jahr ist alles anders“

  1. Hey Solariummann, du hast mein volles MItgefühl. Ich habe deine Geschichte sehr aufmerksam gelesen. Ja mit Mitte 50 wechseln wir wohl irgendwie die Rollen: Eltern werden zu “Kindern” und wir Kinder werden zu “Eltern” für unsere Eltern. Wohl dem , der ein gutes Verhältnis zu seiner Ursprungsfamilie hat…das macht so manches einfacher.
    So manch eine/r aus meinem Bekannten- und Kollegenkreis fiel in letzter Zeit plötzlich entrüstet aus allen Wolken, als ihre “Fettlebezeit” aus Urlaub machen, teure Autos kaufen und Haus bauen und im Luxus leben jä unterbrochen wurde, weil plötzlich die Mutter oder der Schwiegervater nicht mehr wie gewohnt funktionierte sondern krank(!) wurde plötzlich hilfsbedürftig ist! Von jetzt auf gleich müssen sie rechnen….ins Heim? in betreutes Wohnen? womöglich ins eigene Haus? DAs eine zu teuer, das andere unerwünscht- man möchte ja auch mal Ruhe vor den Eltern haben…
    Wir sind verantwortlich für die Menschen, die uns das Leben geschenkt haben. Wohl dem, der es mit ebenso viel Liebe und Freude tut, wie er einst selbst behandelt wurde.
    Frohe und besinnliche Weihnachten !

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